Mein Australian Diary, Tag 20
- Victoria Sammet
- 12. Nov. 2018
- 4 Min. Lesezeit
Montag, 12.11.2018
Hallo da draußen! Ich konnte es doch nicht sein lassen, einen weiteren Eintrag zu erstellen, nur 6 Tage nach dem letzten . Ehrlich gesagt hatte ich schon direkt am Tag darauf Lust gehabt, einen neuen Eintrag zu erstellen, aber verdammt! Ich habe nicht einmal Zeit dafür! Also, genügend Zeit habe ich zwar schon. Ich langweile mich jeden Tag. Aber ich habe einfach keine Möglichkeit. Ich fühle mich total unhöflich, überhaupt mein Handy in die Hand zu nehmen, was natürlich auch an Gregs Reaktion darauf liegt. Dieses ständige "You done?", wenn ich auch nur einmal meine WhatsApp Nachrichten checke, ist super nervig und einschüchternd. Gerade deshalb, weil er selbst auch immer mal wieder auf WhatsApp sitzt. Deshalb verschiebe ich das Schreiben gerne auf die wenigen Tage, an denen er mal 2 oder 3 Stunden ohne mich wegfährt.
Jedenfalls wird es immer unerträglicher hier. Ich werde zwar gut in die 'Familie' aufgenommen, und das sind auch die Momente am Tag, die mir Spaß machen, aber die Arbeit hier ist zum Kotzen. Das liegt nicht einmal an der Arbeit, denn die Arbeit an sich fühlt sich nicht einmal nach Arbeit an, sondern eher wie die Alltagsaufgaben auf dem Farmleben, bei denen es auch keinen Stress gibt, wann und wo sie gemacht werden. Es ist der Umgang. Immer wieder werde ich irgendwo hingestellt und es heißt jedes Mal "mach mal", aber nie, wie es gemacht werden soll, oder wo die Dinge sind, die ich dazu brauche. Nachfragen hat sich ebenfalls als unnötig erwiesen, da ist man im Nachhinein genauso schlau wie vorher auch. Man kriegt auch im Nachhinein nicht gesagt, ob es okay so war oder nicht. Nach ganzen 10 Tagen wurde mir dann schließlich gesagt, dass die Art, wie ich Geschirr spüle, falsch ist. "Lass mich dir zeigen, wie wir das hier machen.", waren Gregs Worte. Ich meine, ehrlich? Ich wusste nicht, dass es einen falschen Weg gibt, Geschirr zu spülen. Solange es sauber ist, ist doch der Sinn erfüllt? Dann sollte ich die Kartoffeln mit Stahlwolle schrubben, bis der Dreck ab ist. Mit Stahlwolle! Die Stahlwolle, die wir zum Geschirr spülen verwenden (im richtigen Wege natürlich)! Es sind einfach so viele Dinge, die ich nicht so ganz gut finde. Wie er seine Tiere behandelt zum Beispiel. Dieses ganze 'ich-trete-meinen-Hund-wenn-er-nicht-hört' fühlt sich nicht richtig an. Oder das 'ich-streite-mich-so-lange-mit-meinem-Pferd-bis-das-Pferd-nachgibt'. Lächerlich.
Natürlich kriege ich auch nie etwas gesagt. Wie jeden Morgen habe ich mich fertig gemacht für unsere Rundfahrt (die nur 1 Stunde dauern würde, würde Greg nicht immer irgendwas anderes zwischendrin machen). Außerdem macht er nicht alles auf dem Weg, sondern manchmal drehen wir auch zwei Runden, denn hey, nach den Pferden gucken konnten wir ja nicht in der ersten Runde. Also 2 bis höchstens 3 Stunden, bei denen ich auch immer dabei sein muss, damit ich die 10.000 Tore auf dem Weg aufmachen kann. Ich habe also wie jeden Morgen meine 500ml Wasser aufgefüllt, mit denen ich mir immer die Hände wasche, nachdem ich die Pferde mit Äpfeln gefüttert habe, weil ich dann Pferdesabber und Apfelsaft an den Händen kleben habe. Weil es noch recht früh war habe ich auch die Sonnencreme weggelassen (die Sonne hier ist echt brutal). Aber anstatt mir zu sagen, dass wir noch einiges zu erledigen haben, schweigt Greg einfach und dann stand ich einfach 6 Stunden ohne Wasser in der prallen Sonne, mit körperlicher Arbeit und ohne Schatten und allem drum und dran. Nun ja. Hätte ich das gewusst, hätte ich mich anders vorbereitet.
Und meine Hände. Aufgeplatzt, zerkratzt, aufgeschürft, eitrige Wunden und abgebrochene Nägel. Oh, und trocken sind sie auch noch. Ich hatte noch nie so hässliche Hände.
Aber dann wiederum geht es mir super. Ich habe Essen, einen Schlafplatz und vier liebe Hunde. Und abgesehen vom Arbeiten lässt es sich super mit Greg leben. Wir lachen über die lächerlichen Fernsehsendungen und trinken Bier (ein Nein wird hier nicht akzeptiert und das australische Bier schmeckt gar nicht mal so scheiße).
So gesehen verfliegt die Zeit einerseits. Andererseits zieht sie sich wie Kaugummi. Dass ich geflogen bin, kommt mir vor wie letztes Jahr aber gleichzeitig auch wie gestern. Und ich werde nicht lügen, ich vermisse mein eigenes Bett mit meinem eigenen Hund und meinen eigenen Hasen und einem Bad nur für mich (und meine Familie) und eine Mahlzeit ohne nervige Menschen tierisch. Einfach mal alleine zu sein. Einerseits habe ich Freude an diesem Ort auf der Farm und den wunderschönen Dingen, die ich hier sehe, andererseits kann ich es kaum erwarten hier rauszukommen und Neues zu sehen oder sogar ganz nach Hause zu flüchten. Neues ist schön, aber nach einer Weile ist es doch mindestens genauso schön das Vertraute, Alte wiederzuhaben. Es ist zwar komisch das nach nur 3 Wochen in Australien zu sagen, denn ich war schon öfter genauso lange oder länger von zuhause weg, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden. Dann wiederum habe ich jetzt diesen ständigen Gedanken in mir, dass ich hier noch so lange bleiben werde, mit all den Problemen, die man in einem normalen Urlaub nicht hat. Das hier ist jetzt mein Alltag. All die Sorgen werde ich ständig haben. Reicht das Geld? Wo kann ich arbeiten? Bekomme ich eine Unterkunft? Schaffe ich das alles so ganz allein? Ich denke, viele Sorgen sind genommen, wenn man zu zweit reist. Man ist nie ganz auf sich allein gestellt, und zu zweit scheint alles nur halb so schlimm.
Ich selbst fühle mich hier eher verloren. Ich weiß nicht, was ich hier mache, wieso ich mir die Känguruleichen immer und immer wieder antue. Ich fühle mich allein. Aber ich denke, das wird besser. Es ist ja schon etwas besser geworden. Und ich denke, sobald ich von dieser Farm runterkomme und mit dem Reisen anfange, wird sich alles etwas besser anfühlen. Ostküste, ich komme! Nur noch 13 Tage...
Vicky
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